Kann ich während einer Jugenddisko einfach so Musik abspielen, wen darf ich fotografieren und wie und wo darf ich die Bilder verwenden? Was muss in meine Datenschutzerklärung auf der Website und wie kläre ich in Anmeldeformularen über die personenbezogenen Daten auf? Kann ich WhatsApp zur Kommunikation mit Ehrenamtlichen weiter nutzen?
Zahlreiche Fragen sind durch die DSGVO auf die Jugendarbeit aktuell geworden. Datenschutz wird häufig als zusätzliche Last, als unverhältnismäßig und nicht praktikabel gesehen – auch innerhalb der Jugend(verbands)arbeit. Dennoch ist der europäische Datenschutz ein hohes und erkämpftes Gut, für das sich auch Jugendverbände stark gemacht haben – wir sollten und müssen ihm Raum geben.
Datenschutz ist praktizierter Kinderschutz!
Mit zunehmendem Alter nehmen auch die Aktivitäten Heranwachsender im Netz zu, womit auch die Preisgabe persönlicher Informationen bei Instagram, WhatsApp und Co. steigt. Nicht alle (er)kennen die Risiken und Gefahren, die damit einhehgehen. Vor allem der sorglose Umgang mit Freigaben von persönlichen Informationen wie Mobilfunknummer und Aufenthaltsort, als auch personalisierte Werbung anhand persönlicher Datenprofile kann zu Schwierigkeiten führen. Daher ist es wichtig, Kinder, Jugendliche und Erwachsene über Risiken im Netz aufzuklären und im Gespräch eine Haltung zu finden, welche Persönlichkeitsrechte wahrt und gleichzeitig diesen zentralen Lebensraum (junger) Menschen anerkennt.
Rechtliche Grauzonen abwägen in der Jugendarbeit
Datenschutz und lebensweltorientierte Jugendarbeit stehen in einem strukturell hervorgerufenen Widerspruch zueinander. Fachkräfte sind gezwungen, selbst zu entscheiden, welchem Auftrag sie mehr Gewicht zusprechen und bewegen sich ferner in unsicheren Grauzonen: Entscheiden sie sich für ihren pädagogischen Auftrag im Sinne der Lebensraumorientierung und holen ihre Zielgruppe da ab, wo sie sich bewegt, oder geben sie dem Schutzauftrag mehr Gewicht? Es herrscht der weit verbreitete Wunsch nach mehr rechtlicher Klarheit und Flexibilität.

Die nachfolgenden Inhalte ersetzen keine konkrete und verbindliche rechtliche Beratung und sind als solche auch keine Rechtsberatung. Diese Sammung bietet jedoch einen Überblick über relevante Prozesse und Alltagssituationen der Jugendarbeit, die im Kontext des Datenschutzes von Bedeutung sind. Dabei stellen die Empfehlungen keinesfalls die allein möglichen Vorgehensweisen dar. Jedes Verfahren muss auf die Praktikabilität und die Umsetzbarkeit im eigenen Träger geprüft werden. Eine juristische Klärung seitens des KJR LSA ist daher nicht gewährleistet.
Datenschutz-grundverordnung, kurz: DSGVO
Hier findest du die rechtlichen Vorgaben der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) übersichtlich aufbereitet.
Podcast: Sicher durch rechtliche Grauzonen
Rechtliche Fallstricke medienpädagogischer Arbeit mit drei Fallbeispielen aus der Praxis, analysiert von Expert*innen der Arbeitsgemeinsachft Kinder- und Jugendschutz NRW.
Methoden und Anregungen für die Praxis
‘Made to measure’ – Eine digitale Spurensuche
Das Datenexperiment veranschaulicht, was Firmen wie Google oder Facebook über die Menschen wissen. Ein Datensatz als Drehbuch – Dokumentationsfilm und interaktive Webseite.
Workshop-Methoden
Arbeitsmaterial zu Privatsphäre und Mündigkeit in digitalen Umgebungen vom Projekt Digitale Jugendarbeit (CC-Lizenz).
Wenn eine Fachkraft ihrer pädagogischen Aufgabe nicht gerecht werden kann, weil diese mit “erlaubten” Messengern niemanden erreicht, so kann WhatsApp zu folgenden Bedingungen benutzt werden:
– Diensthandy nur für WhatsApp-Kontakte anschaffen
– Begründung für die Entscheidungen mit den Abwägungen (Verhältnismäßigkeit= Zweck, Eignung, Erforderlichkeit, Angemessenheit; ist es das “mildeste” Mittel?) und den Problemfeldern gut und genau dokumentieren
– bewusst kommunizieren – nur unproblematische Inhalte (etwa Termine/Veranstaltungen)
– Regeln für Gruppenkonversationen erstellen
– für intensive Beratung den Kommunikationskanal wechseln
– Minderjährige und Jugendliche nicht zur Registrierung bei WhatsApp auffordern
– WhatsApp nicht als einzige niedrigschwellige Kontaktmöglichkeit anbieten
– alternative Messengerdienste regelmäßig thematisieren (z.B. signal, threema,…)
(Vgl. auch Antwort des ServiceBureaus Jugendinformation Bremen zu WhatsApp in der Jugendarbeit, ergänzend die Antwort von saferinternet.at auf die Frage: Dürfen Jugendarbeiter*innen WhatsApp nutzen um mit Jugendlichen in Kontakt zu sein?)
Dürfen Fachkräfte auch ohne explizites Einverständnis der Eltern z.B. über WhatsApp Kontakt zu Kindern und Jugendlichen unabhängig vom Alter haben?
Ja. Laut Erwägungsgrund 38 der DSGVO sollte “die Einwilligung des Trägers der elterlichen Verantwortung im Zusammenhang mit Präventions- oder Beratungsdiensten, die unmittelbar einem Kind angeboten werden, nicht erforderlich sein.” (Vgl. In digitalen Welten bewegen. Leitgedanken zur Digitalisierung in der Jugendförderung. Hrsg. vom Landesjugendamt Rheinland, 2019)
Digitale Haltung entwickeln!
Online-Dienstanbieter wie z.B. Meta müssten sich bei unter 16-Jährigen vergewissern, dass die Eltern mit der Nutzung einverstanden sind – faktisch bleibt dies jedoch häufig aus. Auch unklare Praktiken der Datenauslese und -verwertung sowie Kommunikationsrisiken (u.a. Sexting, Cybermobbing) machen diese Dienste aus datenschutzrechtlicher Perspektive problematisch, weshalb sich viele Fachkräfte fragen (mussten), inwieweit sie überhaupt noch mit Social Media- und Kommunikationsdiensten arbeiten dürfen. Andere Kommunen und Träger haben ihren Fachkräften die berufliche Nutzung dieser Kontaktkanäle untersagt. Damit wird ein Rückzug aus einem der zentralen Lebensbereiche heutiger Kinder und Jugendlicher verlangt, denn 92 Prozent aller 12- bis 19-Jährigen nutzen WhatsApp mehrmals täglich und bezeichnen den Messenger als wichtigste App auf ihrem Smartphone (Vgl. JIM Studie 2021). Eine vollständige Abkehr von zentralen Kommunikationskanälen ohne attraktive Alternativen kann zu einer deutlichen Verschlechterung der Partizipation und Niedrigschwelligkeit der Angebote der Kinder- und Jugendarbeit führen. Es gilt daher, eine eigene digitale Haltung zu entwickeln – dabei möchten wir euch unterstützen.