
Am 22. Januar 2025 wurde der Entwurf zur Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes Sachsen-Anhalt (KJHG-LSA) erstmals im Landtag beraten. Am 30. April 2025 hatte der Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt die Gelegenheit, im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung im Rahmen einer öffentlichen Anhörung Stellung zu beziehen. Die folgende Stellungnahme fasst unsere Positionen zum Gesetzentwurf zusammen.
Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zur Reform des KJHG-LSA
Am 30. April 2025 führt der Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landtags Sachsen-Anhalt eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf zur Reform des KJHG-LSA durch. Der Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt e. V. wurde eingeladen, an der Anhörung teilzunehmen, und im Vorfeld um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. Gerne kommen wir dieser Bitte nach und beziehen im Folgenden Position zum Gesetzesentwurf.
1. Wegfall der Nachbesetzung im Landesjugendhilfeausschuss und kommunalen Jugendhilfeausschüssen
Der Gesetzentwurf sieht in § 10 Abs. 3 Satz 5 vor, dass eine Nachbesetzung von ausgeschiedenen Mitgliedern im Landesjugendhilfeausschuss ausgeschlossen wird. Als Begründung wird angeführt, dass Nachbesetzungsverfahren viel Zeit und Aufwand erfordern und die Arbeitsfähigkeit des Gremiums durch die bestehende Stellvertretungsregelung weiterhin gewährleistet sei.
Wir als KJR widersprechen dieser Regelung entschieden und haben massive rechtliche und fachliche Bedenken. Die Arbeit im Landesjugendhilfeausschuss wird ehrenamtlich geleistet und erfordert von den Mitgliedern erhebliche zeitliche und persönliche Ressourcen. Ziel dieser Arbeit ist es, die Lebensbedingungen von jungen Menschen in Sachsen-Anhalt nachhaltig zu verbessern. Der Wegfall jedes Mitglieds hat jedoch unmittelbare Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und, bei zunehmenden Ausfällen, auch auf die Arbeitsfähigkeit des gesamten Gremiums.
Die Begründung, dass Stellvertretungen die Lücken kompensieren könnten, greift zu kurz. Stellvertretende Mitglieder sind häufig ebenfalls aktiv in die Arbeit des Landesjugendhilfeausschusses, seiner Unterausschüsse und Arbeitsgruppen eingebunden. Dadurch würden dennoch die Ressourcen fehlen, die eine vollständige Besetzung bietet. Zudem bleibt dem betroffenen Mitglied nach dem Ausscheiden der Stellvertretung keine Vertretung mehr, was zu einer weiteren Schwächung der Arbeitsfähigkeit führt. Besondere Problematik entsteht, wenn sowohl das Mitglied als auch die Stellvertretung ausscheiden. In diesem Fall fällt die betreffende Organisation vollständig aus dem Gremium heraus, was die Vielfalt und Expertise des Ausschusses nachhaltig beeinträchtigt.
Zusätzlich zu den praktischen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit des Gremiums sehen wir auch rechtliche Bedenken hinsichtlich der Zusammensetzung des Landesjugendhilfeausschusses. Gemäß § 71 Abs. 1 SGB VIII sowie § 10 KJHG-LSA ist eine ausgewogene Besetzung des Gremiums vorgeschrieben, die sowohl die Vertretungskörperschaften als auch die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe angemessen berücksichtigt.
Der Ausschluss der Möglichkeit zur Nachbesetzung kann dazu führen, dass das gesetzlich vorgesehene Verhältnis der Mitglieder im Landesjugendhilfeausschuss nicht mehr gewahrt bleibt. Insbesondere wenn Vertreter*innen der freien Jugendhilfe oder speziell Jugendverbände oder Wohlfahrtsverbände ausscheiden und nicht nachbesetzt werden können, droht eine strukturelle Unwucht im Gremium. Dadurch könnte die im Bundes- und Landesrecht (71 Abs. 1 SGB VIII und § 10 KJHG-LSA) verankerte Zusammensetzung nicht mehr sichergestellt werden, was wiederum die Legitimität und Beschlussfähigkeit des Landesjugendhilfeausschusses infrage stellt.
Darüber hinaus wirft die Regelung demokratische Probleme auf. Der Ausschluss der Nachbesetzung schwächt potenziell die Repräsentativität des Gremiums. Die Zusammensetzung des Landesjugendhilfeausschusses spiegelt eine Vielfalt an Perspektiven wider, die notwendig ist, um die Bedürfnisse und Interessen von Kindern und Jugendlichen umfassend zu berücksichtigen. Jede nicht nachbesetzte Position reduziert diese Vielfalt und läuft Gefahr, spezifisches Fachwissen und Stimmen aus dem Diskurs zu verdrängen. Eine starke demokratische Verankerung des Gremiums ist jedoch essenziell, um glaubwürdig und mit hoher Fachlichkeit wirksam agieren zu können.
Wir fordern daher, die Möglichkeit zur Nachbesetzung beizubehalten, um die Arbeitsfähigkeit, die rechtlich vorgeschriebene Zusammensetzung sowie die Vielfalt und die demokratische Legitimität des Landesjugendhilfeausschusses sicherzustellen.
Neben der Regelung für den Landesjugendhilfeausschuss sieht der Gesetzentwurf mit dem neu eingefügten § 4 Abs. 5 Satz 3 KJHG-LSA auch für die kommunalen Jugendhilfeausschüsse die Möglichkeit vor, eine Nachbesetzung auszuschließen. Wir lehnen diese Regelung mit der gleichen Begründung ab wie für den Landesjugendhilfeausschuss. Um die demokratische Legitimität, die Arbeitsfähigkeit und die gesetzlich vorgeschriebene Zusammensetzung der Jugendhilfeausschüsse sicherzustellen, muss die Möglichkeit zur Nachbesetzung auch auf kommunaler Ebene zwingend erhalten bleiben.
2. Kinder- und Jugendringe im Jugendhilfeausschuss
Die Gesetzgebung weist in § 12 SGB VIII Jugendverbänden und deren Zusammenschlüssen wie Jugendringen ausdrücklich die Aufgabe zu, die Interessen junger Menschen zu vertreten. Damit wird ihnen ein interessenpolitisches Mandat verliehen. Als einzige im SGB VIII explizit genannte Form der Interessenvertretung sollten Jugendverbände und ihre Zusammenschlüsse daher als stimmberechtigte Mitglieder in den Jugendhilfeausschüssen vertreten sein.
Dies wird auch durch das SGB VIII unterstrichen, das eine besondere Berücksichtigung bei der Zusammensetzung der Jugendhilfeausschüsse vorsieht (§ 71 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). Auf der Landesebene wird der Bedeutung der Jugendringe als Zusammenschluss und Interessenvertretung junger Menschen bereits in der Gestalt Rechnung getragen, dass gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 9 zwei feste stimmberechtige Mitglieder für den Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt e. V. vorgesehen sind. Auf kommunaler Ebene ist jedoch festzustellen, dass nur etwas mehr als die Hälfte der Kinder- und Jugendringe direkt in den Jugendhilfeausschüssen vertreten sind und lediglich ein Drittel verfügt über ein Stimmrecht. Diese Situation hat sich nach der Kommunalwahl 2024 durch die Neubesetzung der Ausschüsse weiter verschärft. Dadurch sind Kinder- und Jugendringe als selbstorganisierte Interessenvertretungen junger Menschen häufig von diesem zentralen jugendpolitischen Steuerungsgremium ausgeschlossen und können nur eingeschränkt wirksam werden.
Um dem entgegenzuwirken, fordern wir als KJR, die bundesgesetzliche Regelung, wonach Vorschläge der Jugendverbände und Wohlfahrtsverbände angemessen zu berücksichtigen sind, für die kommunale Ebene auch im Landesgesetz zu verankern und damit hervorzuheben. Eine solche Regelung findet sich beispielsweise in den Ausführungsgesetzen anderer Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen. Zusätzlich sollten die Zusammenschlüsse von Jugendverbänden wie im § 12 SGB VIII erwähnend hervorgehoben werden, um ihre besondere Berücksichtigung sicherzustellen. Wir schlagen vor folgenden S. 2 am § 4 Abs. 3 zu ergänzen:
“Vorschläge der Jugendverbände, ihrer Zusammenschlüsse und der Wohlfahrtsverbände sind angemessen zu berücksichtigen.”
Eine angemessene Berücksichtigung muss letztlich anhand der örtlichen Verhältnisse ausgelegt werden. Aus Sicht des KJR stellt sich bei ausreichend vorhandenen verbandlichen Strukturen zur Gründung eines Jugendrings weniger die Frage, ob eine Vertreter*in eines Jugendrings oder -verbands Mitglied wird, sondern vielmehr, wie viele. Dennoch zeigt die Praxis, dass viele Kinder- und Jugendringe gänzlich von der Ausschussarbeit ausgeschlossen sind. Daher schlagen wir vor, Kinder- und Jugendringe mindestens verpflichtend als beratende Mitglieder im Jugendhilfeausschuss einzubinden, sofern sie nicht regulär als stimmberechtigte Mitglieder vertreten sind. Hierfür schlagen wir die Ergänzung folgender Nr. 9 an § 5 Abs. 1 vor:
„eine Vertretende Person des Kreis- Kinder- und Jugendrings, sofern dieser nicht als stimmberechtigtes Mitglied im Ausschuss vertreten ist.“
3. Schulsozialarbeit
Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) hat die wachsende Bedeutung der Schulsozialarbeit anerkannt und sie mit § 13a SGB VIII als eigenständige Leistung der Kinder- und Jugendhilfe verankert. In Sachsen-Anhalt ist die Schulsozialarbeit als Leistung bzw. Angebot der Kinder- und Jugendhilfe ein fester und unverzichtbarer Bestandteil der multiprofessionellen Teamarbeit in Schulen und hat sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrer Bedeutung erheblich zugenommen.
Aus unserer Sicht bedarf es auf Landesebene zeitnah einer umfassenden inhaltlichen und finanziellen Lösung, die sicherstellt, dass die Schulsozialarbeit langfristig gesichert ist und flächendeckend qualitativ hochwertige sowie bedarfsgerechte Angebote insbesondere für Schüler*innen bereitstellt.
Im Gesetzentwurf wird angeführt, dass Schulsozialarbeit bereits vor der Einführung des § 13a SGB VIII durch die Regelungen zur Jugendarbeit (§ 11 SGB VIII) und Jugendsozialarbeit (§ 13 SGB VIII) abgedeckt wurde. Dies ignoriert jedoch die gestiegene Bedeutung der Schulsozialarbeit, die mit der expliziten Nennung im § 13a SGB VIII vom Bundesgesetzgeber gewürdigt wurde. Sachsen-Anhalt sollte dieser Entwicklung Rechnung tragen und Schulsozialarbeit durch Landesrecht verbindlich regeln.
Zudem wird im Gesetzentwurf argumentiert, dass aus § 13a Satz 3 SGB VIII keine gesetzliche Pflicht abgeleitet werden kann, die Schulsozialarbeit landesrechtlich weiter auszugestalten. Unabhängig von einer bundesgesetzlichen Verpflichtung sehen wir jedoch eine fachliche und jugendpolitische Notwendigkeit, Inhalt, Umfang, fachliche Verortung und Finanzierung der Schulsozialarbeit klar zu regeln. Es fehlt eindeutig an Planungssicherheit, was die wiederkehrenden finanziellen Diskussionen um den Erhalt der Schulsozialarbeit eindrücklich zeigen.
Während Schulsozialarbeit derzeit auch über Mittel des § 31 KJHG-LSA finanziert werden könnte, birgt diese Vorgehensweise erhebliche Risiken. Eine solche Finanzierung würde – insbesondere beim Auslaufen der aktuellen ESF+-Finanzierung – zwangsläufig andere Leistungsbereiche wie die Jugendarbeit, die Jugendverbandsarbeit, den erzieherischen Kinder- und Jugendschutz sowie die Jugendsozialarbeit erheblich unter Druck setzen und maßgeblich gefährden.
Um diese Konflikte zu vermeiden, fordert der KJR die Einführung eines eigenständigen
§ 31a KJHG-LSA, der der Schulsozialarbeit bereits jetzt eine stabile rechtliche und finanzielle Grundlage sichert. Dieser neue Paragraf sollte mit dem Auslaufen der aktuellen
ESF+-Förderperiode zum 01.08.2028 in Kraft treten und die Schulsozialarbeit als integralen Bestandteil der Kinder- und Jugendhilfe langfristig absichern.
Fachlich sehen wir die Schulsozialarbeit klar in der Kinder- und Jugendhilfe verortet und damit in der Zuständigkeit des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. Als ein Angebot der Kinder- und Jugendhilfe im schulischen Kontext erfordert sie jedoch eine gemeinsame finanzielle Verantwortung der Ressorts Bildung und Soziales sowie eine enge interministerielle Zusammenarbeit.
4. Inklusion
Der KJR weist drauf hin, dass die Finanzierung der Inklusion bisher nicht ausreichend geklärt ist. Investive Kosten (z. B. barrierefreie Zugänge) und wiederkehrende bzw. laufende Kosten (z. B. höhere Mobilitätskosten, Assistenzleistungen) zur Verbesserung der Inklusion werden bisher nicht berücksichtigt. Diese Kritik wird im Gesetzentwurf jedoch nicht aufgegriffen. Stattdessen wird argumentiert, dass Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe bereits vor Inkrafttreten des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) allen jungen Menschen unabhängig vom Vorliegen einer bestehenden oder drohenden Behinderung offenstanden.
Wir halten diese Argumentation für nicht nachvollziehbar, da sie die praktischen Herausforderungen bei der Umsetzung inklusiver Angebote unberücksichtigt lässt. Zwar sind die Leistungen formal zugänglich, doch fehlt es häufig an den notwendigen finanziellen Ressourcen, um diese Zugänglichkeit auch in der Praxis sicherzustellen. Inklusion erfordert zusätzliche Mittel, etwa für barrierefreie Angebote, geschultes Personal und spezifische Unterstützungssysteme. Kurzfristig und dauerhaft entstehende Mehrkosten werden jedoch z. B. in der Fördersumme des § 31 KJHG-LSA nicht berücksichtigt. Es braucht eine Regelung, die sowohl dem grundsätzlichen Bedarf als auch eventuell auftretender spezieller Bedarfe, wie z. B. Notwendigkeit eines*einer Gebärdendolmetschers*in, Rechnung trägt.
Daraus ergibt sich aus Sicht des KJR die Notwendigkeit, die Fördersätze grundlegend zu erhöhen, um Veranstaltungen, Projekte und Formate von vornherein inklusiv gestalten zu können. Ergänzend sollte ein Inklusionsfonds sowohl für die örtliche als auch für die landesweite Jugendarbeit eingerichtet werden, um zusätzliche Bedarfe gezielt refinanzieren zu können. Der Zugang zu diesen Mitteln muss schnell und unbürokratisch erfolgen, damit individuelle Bedarfe zeitnah und flexibel gedeckt werden können.
5. Förderung der kommunalen Kinder- und Jugendarbeit (§ 31 KJHG-LSA)
Im Hinblick auf die Förderung der kommunalen Kinder- und Jugendarbeit begrüßen wir ausdrücklich die erfolgte Einführung des Flächenfaktors zum 01. Januar 2023 und den damit verbundenen Mittelausgleich für die kreisfreien Städte als wichtigen Schritt nach vorne. Dieser Ansatz berücksichtigt die besonderen Anforderungen des ländlichen Raums, löst jedoch nicht die grundlegende strukturelle Unterfinanzierung der kommunalen Jugendarbeit.
Die Gesamtförderung bleibt zu gering, um eine nachhaltige Jugendarbeit flächendeckend anbieten zu können. Zudem bleibt die aktuelle Dynamisierung der Mittel weit hinter der Inflation und den aktuellen Tarifverhandlungen zurück. Das Abschmelzen der ohnehin knappen Förderung ist die Folge. Wir fordern daher, in einem ersten Schritt die nicht ausgeglichene Inflation seit Einführung der Dynamisierung auszugleichen. Dies bedeutet eine Erhöhung um 750.000 Euro. In einem zweiten Schritt muss den großen Investitionsbedarfen der Jugendclubs und Jugendeinrichtungen begegnet werden. Hierfür fordern wir Investitionsmittel in Höhe von 1,6 Millionen Euro. Wichtige Zukunftsthemen wie bspw. die Gewinnung und Sicherung von Fachkräften, die inklusive Gestaltung von Angeboten und die zunehmende Digitalisierung der Kinder- und Jugendarbeit müssen angegangen und finanziert werden. Hierfür fordern wir, in einem dritten Schritt die Fördersumme im § 31 KJHG-LSA um zusätzliche 2,2 Mio. Euro zu erhöhen. Die Schritte eins bis drei ergeben einen zusätzlichen Mittelbedarf von 4,55 Millionen Euro. Um die kommunale Jugendförderung langfristig zu festigen und zu sichern, bedarf es darüber hinaus der Anpassung der Dynamisierung. Die aktuell geltenden 2 % reichen nicht aus, um dem Kostendruck der Inflation sowie der Tarifentwicklung gerecht zu werden. Um das nachhaltige Abschmelzen der Fördermittel zu verhindern, bedarf es zwingend einer Anpassung der Dynamisierung auf 3 % pro Jahr. Die finanzielle Lage der kommunalen Jugendarbeit bleibt weiterhin prekär. Die Finanzierung von Einrichtungen und Fachkräften ist unzureichend und die vergangenen massiven Kostensteigerungen durch die Inflation setzen die Träger zusätzlich unter Druck. Es ist entscheidend, die kommunale Jugendarbeit resilient und inklusiv aufzustellen, um jungen Menschen attraktive Angebote wie Jugendclubs oder kommunale Bildungs- und Freizeitmaßnahmen zu bieten.
Dass der Gesetzentwurf unsere Forderungen zur Erhöhung der Fördermittel mit Verweis auf die schwierige Haushaltslage des Landes ablehnt, ist aus unserer Sicht eine Frage der Prioritätensetzung. Investitionen in die Jugendarbeit sind Investitionen in die Zukunft. Sie tragen wesentlich dazu bei, gesellschaftliche Herausforderungen wie Integration, Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit zu bewältigen. Die Entscheidung, ob die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, ist Ausdruck der Bedeutung, die die Landespolitik der Förderung junger Menschen und ihrer Entwicklung beimisst. Wir fordern daher eine erneute Überprüfung der Finanzierung der kommunalen Jugendarbeit und die Berücksichtigung der vorgeschlagenen Maßnahmen, um diese elementare Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe nachhaltig zu stärken.
6. Kinder- und Jugendbericht
Der Gesetzesentwurf sieht eine Neugestaltung des Kinder- und Jugendberichts vor. Als KJR bewerten wir die gesetzliche Festlegung der Beteiligung junger Menschen und des Landesjugendhilfeausschusses bei der Erstellung des Berichts als „Muss-Vorschrift“ äußerst positiv. Ebenso sehen wir in der Entkopplung der Periodizität von der Mitte einer Wahlperiode einen praktikablen Ansatz zur zeitlichen Flexibilisierung.
Wir begrüßen zudem, dass zwei zentrale Impulse des KJR aufgegriffen wurden: Im aktuellen Entwurf bleibt die Bezeichnung „Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung“ erhalten, statt nur von einer Unterrichtung des Landtags zu sprechen. Außerdem wird das Schriftformerfordernis explizit festgelegt. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Bedeutung des Berichts als zentrales Instrument beizubehalten.
Kritisch sehen wir jedoch, dass die Festlegung eines Kerndatensatzes als verpflichtender Bestandteil des Berichts nicht vorgesehen ist. Aus unserer Sicht steht ein indikatorengestütztes Berichtswesen keineswegs im Widerspruch zur angestrebten Flexibilisierung. Im Gegenteil: Ein regelmäßig aktualisierter Kerndatensatz bietet eine prägnante Grundlage, um zentrale Lebenslagen junger Menschen kontinuierlich abzubilden, ohne dass der Bericht durch aufwendige Neukonzeptionen belastet wird.
Die relevanten Indikatoren könnten auf Basis bestehender Datensätze, etwa aus dem Statistischen Landesamt, sowie etablierter Monitoring-Systeme erarbeitet werden. Gemeinsam mit dem Landesjugendhilfeausschuss sollten diese Indikatoren festgelegt und regelmäßig fortgeschrieben werden. Dies würde die Vergleichbarkeit der Berichte verbessern und die Grundlage für fundierte jugendpolitische Entscheidungen schaffen.
Kurze, prägnante Berichte, die auf einem solchen Kerndatensatz basieren und durch vertiefende Schwerpunktanalysen ergänzt werden, stellen aus unserer Sicht eine sinnvolle Weiterentwicklung dar. Sie erleichtern die Nutzung der Ergebnisse für Politik und Fachpraxis, während Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berichterstattung gestärkt werden.
Daher fordern wir, die Einführung eines Kerndatensatzes erneut zu prüfen und in die Gestaltung des Kinder- und Jugendberichts aufzunehmen. Dies würde den Bericht für alle Zielgruppen deutlich wertvoller machen, ohne die angestrebte Flexibilisierung – etwa durch die Möglichkeit, zusätzliche thematische Schwerpunkte zu setzen – einzuschränken.
§ 16 KJHG-LSA könnte dem folgend wie folgt formuliert werden:
§ 16 Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung
(1) Die Landesregierung berichtet nach Beteiligung des Landesjugendhilfeausschusses mindestens einmal pro Legislaturperiode schriftlich dem Landtag über die Lage junger Menschen. Der Bericht enthält Kerndaten und Analysen zu zentralen Lebenslagen junger Menschen und Informationen über die wesentlichen Entwicklungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie der sich daraus ergebenden Handlungsbedarfe und jugendpolitischen Vorhaben der Landesregierung. Bei der Erarbeitung des Berichtes sind junge Menschen zu beteiligen.
7. Selbstorganisierte Zusammenschlüsse in Jugendhilfeausschüssen
Wir begrüßen ausdrücklich die Ergänzung von selbstorganisierten Zusammenschlüssen nach § 4a SGB VIII als beratende Mitglieder in den Jugendhilfeausschüssen sowie die entsprechende Erweiterung der beispielhaften Aufzählung in den §§ 5 und 11 KJHG-LSA. Diese Ergänzung stärkt die Selbstvertretung junger Menschen in der Jugendhilfe und trägt zur demokratischen Mitbestimmung bei.
Kritisch sehen wir jedoch, dass im Gesetzentwurf auf eine Festlegung einer maximalen Anzahl von beratenden Mitgliedern für selbstorganisierte Zusammenschlüsse verzichtet wird. Zwar kann diese Begrenzung in den jeweiligen Satzungen der Jugendhilfeausschüsse erfolgen, jedoch wäre eine landesweite Regelung sinnvoll und zielführend. Eine solche Vorgabe hätte nicht nur einen empfehlenden Charakter, sondern würde auch einen klaren Orientierungsrahmen bieten und Kommunen dazu ermutigen, ausreichend selbstorganisierte Zusammenschlüsse in die Ausschussarbeit einzubinden.
Bereits für die Religionsgemeinschaften wurde im Gesetz eine konkrete Anzahl an beratenden Mitgliedern festgelegt. Eine ähnliche Regelung für selbstorganisierte Zusammenschlüsse nach § 4a SGB VIII würde deren besondere Bedeutung anerkennen und gleichzeitig sicherstellen, dass diese Gruppen angemessen vertreten sind, ohne die Arbeitsfähigkeit der Gremien zu beeinträchtigen. Wir schlagen daher vor, die Anzahl der beratenden Mitglieder auf maximal drei Personen zu begrenzen. Durch Stellvertretungsregelungen könnten so bis zu sechs Personen regelmäßig in die Ausschussarbeit eingebunden werden.
Hinsichtlich der Ausgestaltung bietet sich eine Orientierung an der Systematik für die Religionsgemeinschaften an. Dahingehend schlagen wir folgende Formulierungen vor:
§ 5 Abs. 1 Nr. 8:
„Bis zu 3 Personen von den im Bereich des öffentlichen Trägers wirkenden selbstorganisierten Zusammenschlüssen nach § 4a SGB VIII, beispielsweise von Heimräten, Zusammenschlüssen von Careleavern oder Pflegeelternvereinen, jeweils oder gemeinsam benannte Personen.“
§ 11 Abs. 1 Nr. 9:
„Bis zu 3 Personen, die von der obersten Landesjugendbehörde auf Vorschlag der landesweit wirkenden selbstorganisierten Zusammenschlüsse nach § 4a SGB VIII, beispielsweise eines Heimrates, eines Zusammenschlusses von Careleavern oder eines Zusammenschlusses im Bereich des Pflegekinderwesens, berufen werden.“
Diese Regelung bietet einen ausgewogenen Ansatz zwischen Flexibilität für die kommunalen Gegebenheiten und einer landesweiten Empfehlung, die die Beteiligung selbstorganisierter Zusammenschlüsse nachhaltig stärkt.
Gerne stehen wir bei Rückfragen oder für einen Austausch zur Verfügung:
Robin Radom (robin.radom@kjr-lsa.de | 017655704212)